Es gibt nichts schön zu reden: Die Wahlergebnisse verheissen nichts Gutes für die Schweizer Klimapolitik. Die SVP gewinnt als Partei der Klimaleugner und -verharmloser 9 Nationalratssitze dazu. Verloren haben zwei der klimafreundlichsten Parteien: Die Grünen und Grünliberalen. Zusammen verlieren sie ganze 11 Sitze in der grossen Kammer. In diesem Blogbeitrag widmen wir uns den Gründen für diese Veränderungen und was sie für unser Klima und unseren Verein bedeuten.
SVP hat besser mobilisiert
Um die grossen Gewinne der SVP nachzuvollziehen, hilft ein Blick auf die Wählerwanderungen. Dieser zeigt: Die SVP hat besser mobilisiert als jede andere Partei. Sie hat nicht nur Wählende aus allen anderen Parteien gewonnen, sondern konnte auch solche dazugewinnen, die bisher gar nicht wählten. Und das, obwohl sie mit ihrem Referendum gegen das Klimaschutz-Gesetz letzten Juni gegen die Mehrheit der Stimmbevölkerung politisierte.
Bei den Grünen ist genau das Gegenteil der Fall. Sie haben allein ein ganzes Prozent an Stimmen eingebüsst, weil ihrer ehemaligen Wähler:innen zur SVP wechselten oder gar nicht mehr wählen gingen. Zwar forderten viele Umweltorganisationen, wie auch der Verein Klimaschutz Schweiz, zum Wählen auf. Doch das hat offensichtlich nicht gereicht. Wir müssen der Bevölkerung noch besser aufzeigen, warum die Wahlen entscheidend für die Zukunft unserer Lebensgrundlagen sind.
Klimakrise bleibt grösste Sorge
Als Gründe für den Wechsel zur SVP nennt die Sotomo-Wahltagsbefragung die Themen Zuwanderung sowie die «Genderdebatte und Wokeness». Das Thema Migration war neben der hohen Krankenkassenprämien auch der wichtigste Faktor für den Wahlentscheid. Der Klimawandel hat gegenüber 2019 an Relevanz für den Wahlentscheid eingebüsst.
Haben wir es also verpasst, der Schweizer Bevölkerung die Brisanz der Klimakrise aufzuzeigen? Das stimmt so auch nicht. Die Klimakrise wird immer noch als zweitgrösste politische Herausforderung wahrgenommen. Im letzten Sorgenbarometer von 2022 waren Umweltschutz und Klimawandel sogar auf Platz 1 der grössten Probleme der Schweiz.
Das Parlament muss diese Sorge ernst nehmen und dem Klimaschutz in den nächsten vier Jahren höchste Priorität einräumen. Denn der Klimawandel wartet nicht, bis die Mehrheitsverhältnisse in den nationalen Räten wieder günstiger liegen. Die Politik muss jetzt handeln und die längst existierenden Lösungsansätze vorantreiben. Dafür werden wir uns mit voller Kraft einsetzen.
Wähleranteile vs. Sitzverteilung
Die grossen Verschiebungen im Nationalrat haben nicht nur mit einer veränderten Themenkonjunktur zu tun. Ein Blick auf die Veränderungen der Wähleranteile zeigt, dass die teils hohen Sitzverluste und -gewinne auch auf rechnerisches Pech zurückzuführen sind. So verlor die FDP zwar deutlich mehr Wählerprozente als die GLP. Trotzdem müssen die Grünliberalen ganze 5 Nationalratssitze mehr räumen als die Freisinnigen. Dafür hat die Mitte neu einen Sitz mehr als die FDP, obwohl sie den geringeren Anteil besitzt.
Der Grund für diese Diskrepanzen zwischen Wähleranteilen und Sitzen ist das sogenannte Hagenbach-Bischoff-Verfahren. Mit diesem komplizierten mathematischen Verfahren wird die Sitzverteilung im Nationalrat berechnet. Das System hat einige Vorteile, aber es kommt dabei eben auch zu den erwähnten Abweichungen. Von diesen profitieren in der Regel die grösseren Parteien. In mehreren Kantonen hat man daher bei den kantonalen Wahlen mittlerweile zum sogenannten Doppelproporz gewechselt. Auch auf nationaler Ebene gab es bereits Versuche in diese Richtung, bisher jedoch ohne Erfolg.
Für uns bedeutet das: Die Wählerschaft hätte sich insgesamt ein grüneres Parlament gewünscht, als wir nun haben. Das heisst, dass Klimaschutz-Massnahmen in der Schweizer Bevölkerung nach wie vor mehrheitsfähig sind – trotz der veränderten Mehrheitsverhältnisse im Parlament.
Parteiübergreifende Lösungen
Die SVP wird sich hingegen weiter gegen jeglichen Fortschritt in der Klimapolitik stellen, wie sie es zuletzt beim Klimaschutz-Gesetz getan hat. Wenn die anderen Parteien zusammenarbeiten, können wir in den nächsten vier Jahren aber trotzdem Fortschritte in der Klimapolitik machen.
Beim Verein Klimaschutz Schweiz werden wir auch in Zukunft parteiübergreifend und -unabhängig arbeiten, um gemeinsam Lösungen für den Erhalt unserer Lebensgrundlage zu finden. Und wir werden alle Politikerinnen und Politiker immer wieder daran erinnern, dass sich die Bevölkerung wirksamen Klimaschutz wünscht.
Druck aus der Zivilgesellschaft nötig
Mit dem Klimaschutz-Gesetz haben wir im Juni die Grundlage für eine klimaneutrale Schweiz bis 2050 gelegt. Wir sehen es als unsere Aufgabe, nun die Umsetzung des Klimaschutz-Gesetzes zu begleiten. Auch das CO2-Gesetz macht uns Sorgen. Die darin enthaltenen Ziele bis 2030 sind momentan so tief angesetzt, dass sie die Erfüllung der im Klimaschutz-Gesetz enthaltenen Ziele ab 2031 gefährden könnten.
Es gibt also noch viel zu tun! Und die neuen Mehrheitsverhältnisse im Parlament machen unsere Arbeit nicht einfacher. Darum braucht es mehr denn je den Druck aus der Zivilgesellschaft – es braucht dich! Gemeinsam bleiben wir dran und sorgen dafür, dass die Schweiz endlich auf Klimakurs kommt.